Wir stiegen in den Zug, einen Wagen weiter und setzten uns konsterniert auf unsere Plätze. Ich dachte an den Speck und den Schnaps aus Tirol, den wir mitgebracht hatten und im gleichen Moment daran, daß Menschen muslimischen Glaubens kein Schwein essen und keinen Alkohol trinken, wir ihnen nichts anzubieten hatten außer einer Tafel Schokolade, einer angebrochenen Packung Keksen und zwei Äpfeln. Diese nahm ich und ging in den Waggon, wo mittlerweile die Menschen, immer zwei auf zwei folgend, von den Polizisten hinein begleitet wurden.
Direkt am Anfang des Waggons ging ich auf eine junge Familie zu. Ein junger Mann, gekleidet und bebrillt wie ein Berliner Hipster, seine junge Frau und ihre Tochter saßen dort und ich gab ihnen das wenige, was ich anbieten konnte und sagte ihnen auf Englisch, dass dies für die Kinder sei. Aus dem Hintergrund drängte sich ein Mann zu mir und sprach mich an. Er fragte mich, ob er in den anderen Teil des Zuges gehen könne und ich sagte, ja, natürlich, du kannst hier überall frei gehen, wie es dir beliebt.
Doch da irrte ich. Mittlerweile hatten sich hinter mir die Polizisten der Hundertschaft im Waggon vor den Menschen aufgebaut und schirmten diese von den anderen Mitreisenden ab. Die junge Familie dankte mir überschwenglich und fragte mich, wie weit es noch nach Deutschland sei. Ich sagte, daß wir in einer Stunde in München seien. Die Reaktion war unbeschreiblich. Die Gesichter hellten sich auf, die Müdigkeit schien wie weggewischt. Sie lächelten mich an und ich fragte sie, was das Ziel ihrer Reise sei. Sie sagten München und dass sie dort in ein Camp kommen würden. Ich erklärte ihnen, dass dies dann nur eine Durchgangsstation sei, und dass sie von dort weiter nach Deutschland hinein auf verschiedene Städten und Gemeinden verteilt würden. Ich sagte auch, dass ich mich freue, dass sie es bis hierher geschafft hatten und dass wir sie willkommen heißen. Ich versuchte zu erklären, dass sie weiterhin Geduld aufbringen müssten, dass Dinge lange dauern können.
Ich fühlte mich sehr elend. Ich wusste, dass auf diese Menschen noch eine lange Odyssee zukommen würde. Ich wußte, dass wenn sie Pech hätten, sie in eine Unterkunft in einem Ort kommen würden, wo sie nicht willkommen sind. Ich wusste, dass sie die Unterkünfte nicht ohne Begleitung verlassen dürfen, dass sie kaserniert werden, dass sie dort für viele Wochen und Monate ausharren müssten.
Und ich hoffe, dass diese Menschen zu uns, ins Rheinland kommen werden. Hier, wo sie willkommen sind, wo Menschen Menschen helfen und versuchen, das Ankommen erträglich zu gestalten.
Und ich glaube, dass dies nur ein Anfang ist. Der Anfang von einem langen Krieg, der unser aller Existenz bis in die Grundfesten erschüttern wird, wenn wir nicht endlich innehalten und uns besinnen auf das was uns Menschen zum Menschen macht. Ich fühle mich so unglaublich hilflos.
Das ist das traurigste Weihnachten, seit ich denken kann. Ich bin jetzt 45. Ich kenne die Geschichten von Flucht und Vertreibung meiner Großeltern. Ich habe mich mein Leben lang mit diesen Geschichten beschäftigt, endlos viele Bücher über Ursachen und Formen des Krieges und der Kriegführung mit ihren Folgen gelesen. Ich bin geradezu besessen von unserer Geschichte, der Geschichte der Deutschen, die keine Deutschen sind, weil alle hier irgendwann einmal herkamen als Vertriebene.
So wie meine Vorfahren, die vor langer Zeit verstreut wurden, verfolgt, stigmatisiert und gemordet. Ein grosser Teil meiner Familie ist in den 30er Jahren in die USA oder nach Israel emigriert. Wir, der christliche Teil dieser so grossen Familie, sind schon vor langer Zeit assimiliert aufgegangen in dem, was wir heute Deutsche nennen.
Ich habe zwei Kinder und habe sie, in Erinnerung an unsere Herkunft, Benjamin Esahja und Hannah genannt. Sie wurden nicht getauft, haben kein muslimisches Glaubensbekenntnis abgelegt und mein Sohn wird auch keine Bar Mizwa erleben. Sie sollen eines Tages selbst frei entscheiden, an was sie glauben. Ich bin mir sicher, sie werden sich richtig entscheiden.
Ich selbst bin Christ, katholisch getauft und ich glaube. Ich glaube, weil ich weiß, daß der Glaube alles ändern kann . Ich glaube an den Glauben selbst. Der Glaube kennt keine Ideologie, kein Dogma, keine Grenzen. Der Glaube erschafft unsere Welt. Wir können frei entscheiden, an was wir glauben. Glauben wir an die Krankheit, so werden wir krank. Glauben wir an Gott, so ist da Gott. Glauben wir an Krieg, so ist Krieg.
Ich glaube an die Liebe.
In Vorderlanersbach im Tuxer Tal ist eine Kapelle, der Frau aller Völker, Maria gewidmet. Dort steht:
Herr Jesus Christus
Sohn des Vaters
sende jetzt Deinen Geist
über die Erde.
Lass den Heiligen Geist wohnen
in den Herzen aller Völker,
damit sie bewahrt bleiben mögen
vor Verfall, Unheil und Krieg
Möge die Frau aller Völker,
die selige Jungfrau Maria,
unsere Fürsprecherin sein.
Amen.
Danke fürs Teilen.
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